Schöne Bauwerke kann man sich immer anschauen. Wie wäre es mit einem Versuch, die geradezu klinisch rein anmutenden „Baukästen“ der Moderne in Klagenfurt einmal genauer unter die Lupe zu nehmen? Denn die Architektur der Nachkriegszeit, also unserer Großeltern-Generation, ist uns Kärntnern wesentlich weniger vertraut als baumeisterliche Leistungen aus Gotik und Barock oder die berühmte „Wörthersee-Architektur“.
Die 50er und 60er Jahre waren spannungsgeladene, facettenreiche Jahrzehnte: Auf der einen Seite Aufbruch und Fortschritt, auf der anderen Nostalgie und Prüderie, ob in Mode, Design oder Kultur. Nach den Jahren der Entbehrung durch den Krieg wollte man nur noch nach vorn schauen: Die Welt war schön und voller Wunder.
Historische Fakten & neue Literatur
Klagenfurt und Villach waren im Zweiten Weltkrieg sehr stark zerstört worden, es herrschte tragische Wohnungsnot, viele Leute mussten ihre ausgebombten Häuser verlassen und in Baracken leben. In der Phase des Wiederaufbaus dann gab es im wahrsten Sinn des Wortes baulich viel zu tun. In den Städten wuchsen neben dringend benötigtem Lebensraum neue Verwaltungsbauten, Gemeindezentren, Bahnhöfe, Schulen und Kirchen, am Land Industrie- und Freizeitanlagen, Seilbahnstationen und Kraftwerke.
Bewusst wurde auf brandneuen Stil gesetzt, während der 1950er und 1960er Jahre konnten den Kärntnern ihre öffentlichen Bauten gar nicht avantgardistisch genug sein. Ein fast schon skurriles Phänomen, dass diese ehrgeizigen Projekte schon bald nach ihrer Entstehung als kahl, kunstlos und uncharmant wenig wertgeschätzt wurden – und kaum bis gar nicht dokumentiert sind.
Diese Lücke in der Architekturgeschichte zu schließen hat sich Lukas Vejnik zur Aufgabe gemacht. 2018 bekam er für seine Forschungen zur Nachkriegsmoderne im Alpen-Adria-Raum das Kärntner Architekturstipendium verliehen. Gemeinsam mit Simone Egger beschäftigte er sich in der Folge an der Universität Klagenfurt weiterhin intensiv mit dem Thema regionaler Produktivität und Qualität des Bauens der Nachkriegsmoderne und analysierte und beschrieb die Entwicklung der Kärntner Architekturlandschaft von 1945 bis 1979.
Seine Dokumentationen mit historischen Plänen und Fotos aus dem Nachlass des Fotografen Hans-Jörg Abuja sind 2020 als Buch erschienen. In der Folge stellen wir ein paar seiner gesammelten Beispiele näher vor.
Buchtipp: Lukas Vejnik (Hg.), „Land der Moderne – Architektur in Kärnten 1945-1979“. Ritter-Verlag, Klagenfurt 2020
Moderne Stadtpalais
Klagenfurt ist als Renaissancestadt bekannt für seine vielen schönen Stadtpalais. Dass diese aber auch lange nach der Renaissance entstanden sind, beweist folgendes Beispiel:
Palais Kleinmayr
Im Hof des Stadthauses, des ehemaligen Palais Kleinmayr prallen Klassizismus und Moderne aufeinander. Zwischen 1964 und 1972 baute der in Klagenfurt ansässige Architekt Bucher Badeanlagen und Schulen in der Region und plante den Umbau der Gartenseite des Palais Kleinmayr. „Behutsam fügt sich der daraus hervorgegangene Baukörper in die Topografie ein. Der großzügige Ausstellungsraum ist gleichzeitig Scharnier zwischen Atrium und erhöhter Gartenanlage, die sich auf den Überresten der ehemaligen Stadtmauer ausbreitet.
Durchlässigkeit zieht sich durch den gesamten Entwurf. Von den ehemaligen Räumlichkeiten des Verlegers geht es durch den Hof oder über zwei Seitengänge in den Ausstellungsraum und weiter in den Garten sowie aufs Dach. Begegnung durch Bewegung – so könnte man Buchers Konzept rückblickend zusammenfassen. Über raumhohe Glasschiebeportale öffnet sich der Ausstellungsraum zum Außenraum. Efeu fällt mittlerweile in langen Strähnen aus den in Würde gealterten Pflanztrögen, die gleichzeitig die Brüstung des begehbaren Daches bilden. Ein Hauch von Le Corbusier in Kärnten“ (Lukas Vejnik).
Adresse: Theaterplatz 3
Hochhäuser in Klagenfurt
Das Hiltl Haus
Als interessantes Vorläufer-Modell der „echten“ Hochhäuser Klagenfurts präsentiert sich das mehrgeschossige, betont schlichte Hiltl-Hau, das etwas rückversetzt am Anfang der Bahnhofstrasse am besten zusehen ist, errichtet unmittelbar nach Kriegsende.
Architekt Herbert Hiltl, damals bekannter Protagonist des Aufbruchs, protegierte als Vizepräsident des 1949 gegründeten „Landesverband Kärnten der Zentralvereinigung der Architekten“ die zukunftsorientierte Stimmung im Land.
Mit Vorträgen, Tagungen und einer Ausstellung im Jahr 1950 war man bemüht, die Aufmerksamkeit des Publikums, besonders aber aller Bauinteressenten, ob privat oder öffentlich, zu lenken. Als bleibende Dokumentation des damaligen baukulturellen Schaffens in Kärnten sollten sich ab 1951 die Jahreshefte „Kärntner Architekten“ erweisen, sie sind einsehbar.
Adresse: Getreidegasse 13, 9020 Klagenfurt am Wörthersee
Kempfstraße 12
Wussten Sie, dass das erste Wohn-Hochhaus Kärntens – nach Vorläufern wie dem Hochhaus in der Wiener Herrengasse (1932) – in der Klagenfurter Kempfstrasse im Jahr 1955 errichtet wurde? Im Auftrag der Gemeinde haben Wolfgang Klemt und Hans Schachinger die Nouvauté entworfen. Mit der Hausnummer 12 bot es die damals äußerst beachtliche Zahl von 68 Wohneinheiten. Im obersten Geschoss wurde ein Café mit großartigem Ausblick eröffnet – diese gastliche Stätte existiert leider nicht mehr, aber das seinen Zeitgeist atmende Haus ist trotzdem einen Spaziergang wert.
Rothauer Hochhaus
Großes Aufsehen und kontroverse bis wütende Diskussion bei den Traditionalisten erregte das kühne Projekt an der Kreuzung Villacher Ring/Villacher Strasse. Heute so etwas wie ein Leuchtturm für die Klagenfurter Innenstadt, war die Errichtung des Wohnturms in den späten 1960er Jahren nach Plänen von Architekt Rolf Haas damals – seiner prominenten Lage im Herzen der Stadt wegen – ein umstrittenes Unterfangen.
Mit seiner Dimension von circa 50 Metern inklusive des Technikaufbaus und 15 Geschossen ist es bis heute (!) das höchste Gebäude der Stadt. 2018-2019 wurde es schick restauriert und begrüßt von weitem die Besucher des Zentrums.
Herr Rothauer wirkte um 1900 übrigens als engagierter Cellist und Kammermusiker, warum das Hochhaus ausgerechnet nach ihm benannt wurde, konnte ich leider nicht herausfinden, sein eigenes biedermeierliches stand ganz in der Nähe und wurde 1968 abgerissen.
Adresse: Villacher Straße 1b
Sternhochhäuser
Wer seinerzeit in lichter Höhe der „Sternhäuser“ wohnte, wurde oft um seine Fortschrittlichkeit beneidet. Die beiden Skyscraper mit sternförmigem Grundriss aus 1967 im Viertel Waidmannsdorf-Kanaltalersiedlung von Walter G. Mayr stehen großstädtischen Anlagen um nichts nach und wirken auch heute noch ebenso markant wie zeitlos funktional.
Adresse: Luegerstraße 26
Kelag
Das frühe Hochhaus der „Kärntner Elektrizitäts-Aktiengesellschaft“ ist knapp 40 Meter hoch. Die unverkennbare Fassade des gesamten Gebäudes hat eine Fläche von rund 7.700 Quadratmetern.
Das Gebäude zeigt in seiner statischen Struktur auf beeindruckende Art, wie ökonomisch und ressourcenschonend mit dem Material Beton umgegangen werden kann – ein außergewöhnliches Zeitzeugnis der Kunst der Bauingenieure. Die Fassade wurde 2013 einfühlsam erneuert und bietet dem Betrachter Sicht auf einen dynamischen, in der Spiegelung leicht flirrenden und doch streng gegliederten Baukörper – die perfekte Visualisierung von Energie.
Adresse: Arnulfplatz 2
Architekturjuwelen am See
Sie lieben sicher auch die Wege zum See. Hier ein Tipp für den nächsten sonnigen Tag: Unter den romantisch-verspielten Anwesen am Ufer des Wörthersees sticht das elegante, langgestreckte Gebäude im Norden der Klagenfurter Bucht in seiner wohltuenden Klarheit deutlich hervor.
Nautilus
Für den seit 130 Jahren exklusiven Ruderclub Nautilus wurde 1962 ein neues Vereins- und Bootshaus am Friedlsteg erbaut, das den Anforderungen modernen Rudersports wesentlich besser entsprach als der ursprüngliche Vereinssitz am Lendkanal.
Breite Glasfronten zum See, Betonflächen und streng geometrische Gliederung der Bauteile ergeben die abwechslungsreiche Fassade. Die Auflösung in Glas an der Nordseite gibt dem Gebäude seine Leichtigkeit, eine helle, durchlässige Atmosphäre mit dem witzigen Nebeneffekt, dass Passanten durch den Innenraum hindurch auf den See schauen können. Kreiert hat es Rolf Haas, den wir schon vom Rothauerhaus kennen.
Adresse: Friedelstrand 21
Alpen-Adria-Universität
1971 übergab man das sogenannte „Vorstufengebäude“ (Architekt Roland Rainer) an die Hochschule. Der reguläre Studienbetrieb wurde 1973 aufgenommen, das Hauptgebäude 1974–1977 errichtet. Das Bestandsgebäude der AAU wurde 1975 von der Architektengruppe Baurecht – Esterl – Hildebrand – Kaplaner als rationalistischer Stahlbetonskelettbau mit STB-Fertigteilfassade errichtet. In den vergangenen Jahren mussten Zentral- und Nordtrakt nach 40 Jahren intensiver Nutzung neu organisiert und revitalisiert werden. Die Grundidee ist aber noch schön erkennbar.
Adresse: Universitätsstraße 65/67
Nachkriegsarchitektur in Klagenfurt entdecken
Motivation und Einflüsse der nach dem Zweiten Weltkrieg in Klagenfurt arbeitenden Architektengenerationen waren ganz unterschiedlich, Wellen der Inspiration schwappten aus dem Süden über das Land ebenso wie Erkenntnisse aus deutschen und Schweizer Büros. Gemeinsam war ihnen wohl die Stunde Null nach 1945 und die Sehnsucht nach der Umsetzung eines neuen Lebensgefühls.
Vielleicht konnten wir Ihnen Lust machen, den Zeitzeugnissen der Architektur der Moderne in Klagenfurt nachzuspüren und das Auge dafür zu schärfen auch bei Wanderungen durch die Wohnviertel unserer Stadt.