Jazzmusikerin Lisa Hofmaninger (33) ist schwer zu fassen, weil sich die Saxophonistin, Bassklarinettistin und Komponistin über alle Genres hinweg und in unterschiedlichen Besetzungen probiert. Bei den heurigen DonnerSzenen hätte sie am 1. August 2024 mit „You promised me poems“ im Duo mit dem Gitarristen und Komponisten Helmut Jasbar, auftreten sollen.
Leider musste das Konzert kurzfristig aus Krankheitsgründen abgesagt werden.
Nichtsdestotrotz sprach Lisa Hofmaninger mit uns über Impro zwischen Brahms und Nirvana, den gemeinsame Schmäh mit Helmut Jasbar und wie Lisa Simpson sie zum Saxophon brachte.
Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben!
„Man muss sich frei machen & unvoreingenommen bleiben!“
Lass uns zuerst über dein Duo mit Helmut Jasbar sprechen, „You promised me poems“. Wie habt Helmut und du zusammengefunden?
Lisa Hofmaninger: Über seine Radio-Sessions auf Ö1. Da habe ich schon mit mehreren Bands gespielt. Nach den Sessions haben wir oft miteinander geplaudert, und Helmut meinte einmal, wir sollten doch mal zuhause gemeinsam jammen. Das haben wir schließlich getan und es hat einfach gepasst. Wenig später ist mir bei einem Gig jemand ausgefallen, und da habe ich ihn einfach gefragt. Ich habe immer nach einer ganz freien Impro-Band gesucht. Wenn Helmut und ich uns treffen, reden wir über irgendetwas, dann spielen wir, danach reden wir wieder.
Ihr redet in den Pausen nicht über die Musik, die ihr gerade eben gespielt habt oder gleich spielen werdet?
Meistens nicht, nein. Ich erzähle Geschichten, z.B. die, als ich aus der Wohnung ausziehen musste und mich geärgert habe. Klar hat das dann Einfluss, man spielt im Zorn. Manchmal also lässt man dann die Emotion des Gesprächs in die Musik einfließen. Für „Wean hean“ haben wir einmal ein Programm mit Wienerliedern gemacht, aber sonst haben wir zwei Jahre lang nur improvisiert. Jetzt erarbeiten wir gerade ein gemeinsames Programm für die Meisterkonzerte in St. Pölten, wo wir einen Bogen zwischen Wienerliedern und Klassik spannen.
Mir ist aufgefallen: Ihr macht vor nichts Halt, im positiven Sinne. Plötzlich wird ein Rock-Riff zitiert und ihr beide geht voll ab, wenig später schon geht die Reise in eine völlig andere Richtung.
Ja, wir haben z.B. „Smells like Teen Spirit“ von Nirvana im Programm, das wir meistens als Zugabe spielen und dabei in ganz andere Sphären verschleppen. Der Ansatz ist immer, frisch an die Sachen heranzugehen. Aber auch im Programm haben wir freie Impro-Teile. Es muss dazu passen und wir müssen in der Stimmung sein.
Wie merkst du, wenn du mit jemandem jammst, dass das etwas ist, das nicht nur einmalig ist, sondern dass du das Zusammenspiel intensivieren möchtest?
Die Chemie muss stimmen. Man muss sich wirklich gut verstehen. Fast in allen Fällen entwickeln sich dann richtige Freundschaften draus. Jetzt gerade habe ich jemanden für ein paar Konzerte gefragt, Todd Clouser.
Clouser habe ich letztes Jahr interviewt, als er bei den Donnerszenen spielte.
Wir haben im März gemeinsam gespielt, im Celeste. Er ist ein super Typ, da passt es auch einfach. Aber das weißt du halt vorher nicht.
Wie wichtig ist es, für jedes dieser Projekte eine eigene, gemeinsame Sprache zu finden?
Enorm wichtig. Judith Schwarz und ich hatten einen ersten gemeinsame Gig, wo wir unsere Tunes aus anderen Besetzungen spielten. Das hat überhaupt nicht funktioniert. Es war wichtig zu erkennen, dass es keinen Sinn macht, Stücke, die man für größere Besetzungen gespielt hat, zu zweit zu spielen. Das haben wir schnell gemerkt. Also haben wir begonnen, Imitationsübungen zu mache, gemeinsam ein Vokabular zu entwickeln und so etwas Gemeinsames entstehen zu lassen. Das war eine sehr intensive Probezeit.
Wie würdest du die mit DonnerSzenen-Duopartner Helmut Jasbar entwickelte Sprache beschreiben?
Das ist zu einem großen Teil der gemeinsame Schmäh, den wir haben. Da geht viel über die verbale Kommunikation, die wir miteinander gefunden haben. Wenn du dich gut mit jemandem unterhalten kannst, passt es meistens auch musikalisch. Und Gitarre färbt sich so schön mit dem Sopransaxophon. Ich habe vorher nie mit einem Gitarristen gespielt. Jetzt taugt mir das voll, weil es so schön miteinander harmoniert.
Wie bist du eigentlich zum Saxophon gekommen?
Ich habe vorher Klavier gespielt und Blockflöte, hatte eine klassische Klavierlehrerein, wollte aber immer mehr in die moderne Richtung gehen. Eine blasmusikalische Vergangenheit habe ich auch, weil mein Vater in der Blasmusik war. Deshalb kam ich da auch schnell dazu, und wir haben viel Jazz gehört zuhause. Ich wollte dann irgendwann ein Jazzinstrument und habe in der Kapelle jemanden gehört, der super Saxophon spielen konnte. Das war es dann. Vielleicht hat aber unterbewusst auch mitgespielt, dass Lisa Simpson Saxophon spielt.
Du experimentierst auch viel mit Sound.
Ja, ich habe auch meine Bachelor-Arbeit über Spieltechniken am Sopransaxophon im Jazz geschrieben. Es gibt wenige, die nur auf dem Sopran spezialisiert waren, Sindney Bechet und Steve Lacy waren zwei, die alles versucht haben. Mir ist wichtig, dass man ein Instrument ausreizt.
Auch Freiheit ist dir in der Musik ein sehr wichtiges Prinzip. Du sprichst gerne von einer „Musik ohne Grenzen“. Muss man sich für eine gute Improvisation auch vom universitär Erlernten freimachen?
Ich würde so sagen: Du brauchst den Handwerkskoffer mit den ganzen Tools, die du mal gelernt hast, schon. Aus dem muss man dann im Moment schöpfen. D.h. du sollst dir nicht vorher schon Gedanken machen, was du machen könntest, was passen könnte, und auch nicht versuchen alles auszupacken, alles reinzustopfen, sondern im Moment da sein, wo man ist, und die Atmosphäre, das Publikum und die musikalischen Partner:innen wahrnehmen. In dem Moment muss man sich frei machen und unvoreingenommen sein.
Du hast keine Skalen im Kopf, wenn du improvisierst?
Nein, ich weiß ja vorher nicht, was kommt.
Was wiederum heißen muss, dass du es im Moment hörst?
Ich gebe mir Mühe, kann es aber nicht immer analysieren. Ich schaue, dass ich nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen dabei bin. Freie Improvisation kann auch mal schief gehen, wobei die Frage ist, wie man „schief gehen“ definiert. Wenn man sich darauf konzentriert, dass der Moment und der Vibe stimmen, funktioniert es. Das A und O ist gut zuhören zu können.
Du spielst an Orten wie der Sargfabrik und einer Kirche. Auch bei den DonnerSzenen spielen Kirchen als Regenspielorte eine wichtige Rolle. Wie sehr prägt der Ort einen Auftritt?
Vor allem bei der freien Impro kannst du viel mehr auf den Klang eingehen. Die Stimmung vom Raum ist ein starker Eindruck. Umso wichtiger ist es, dass man vorher ein wenig Zeit hat, sich auf den Raum einzulassen, d.h. dass man nicht hinkommt und sofort spielen muss.
Ist eine Kirche aufgrund ihrer Wucht nicht auch ein wenig einschüchternd?
Es gibt so unterschiedliche Kirchen, dass man das nicht verallgemeinern kann. Ich habe früher auch Orgel gespielt, deshalb mag ich den kirchlichen Raum sehr gerne. Ich verbinde die Kirche weniger mit dem Glauben als vielmehr mit der Akustik.
Vielen Dank für das Gespräch!