Im Rahmen der „Tage der Alpen-Adria Küche“ wird Sepp Schellhorn am 19. September im MAKERSPACE Carinthia vor Köchinnen und Köchen und anderen Interessierten zwei Kalbshälften zerlegen und von „Nose to Tail“ verarbeiten. Warum er das tut, verriet er uns vorab im Interview mit Markus Deisenberger.
Markus Deisenberger: Sie werden im MAKERSPACE vor Publikum zwei Kalbshälften verarbeiten. Warum tun Sie das und worum geht es Ihnen dabei?
Sepp Schellhorn: Ich möchte darlegen, was das für eine Arbeit das ist und welches Handwerk dahintersteckt. Wenn wir um Nachhaltigkeit bemüht sind und weniger wegschmeißen wollen, müssen wir ein Tier einfach von „Nose to Tail“ verarbeiten.
Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass wir einen Großteil unserer Milchproduktion als Milchpulver auf den afrikanischen Kontinent exportieren, nur weil wir Fleisch produzieren müssen, dann läuft hier irgendetwas falsch.
Markus Deisenberger: Was läuft falsch?
Sepp Schellhorn: Wenn wir nur noch mit den so genannten Edelteilen umgehen können und das andere schlichtweg nicht verarbeitet wird, ist das Verschwendung. Wenn ich einen Impuls geben kann, indem ich ein Tier von der Nase bis zum Schwanz verarbeite, wie ich das in meinem Hotel und meinen Restaurants auch tue, dann ist dabei etwas gewonnen. Ich möchte einen Beitrag dafür zu leisten, dass die Welt ein bisschen besser wird.
Markus Deisenberger: Das heißt, Sie haben das „Nose to Tail-Prinzip“ ist in Ihren Betrieben verwirklicht?
Sepp Schellhorn: Absolut! Im „Seehofin Goldegg“ wird vom Kalb und Lamm alles verarbeitet und verkauft, beim Rind tue ich mir mit meinem Betrieb in Gastein leichter.
Da kaufen wir zwischen 42 und 48 Stiere im Jahr und machen jede Gulaschsuppe und jeden Burger selber. Ich verarbeite ganz generell nur, was in der Region aufwächst. Kein Schwein also. Nur das, was in einem Umkreis von circa hundert Kilometern aufgezogen wurde.
Markus Deisenberger: Warum tun Sie das?
Sepp Schellhorn: Ich will darauf aufmerksam machen, dass es auch ohne Muscheln und dergleichen geht – weniger erzieherisch als vielmehr sinnstiftend.
Markus Deisenberger: Wie läuft es außerhalb Ihrer Betriebe?
Sepp Schellhorn: Wir haben einen akuten Fachkräftemangel. Was ich mache ist arbeitsintensiver, deshalb müssen wir schauen, wie wir unsere Ressourcen bündeln und danach ausrichten.
Ich muss leider immer wieder konsterniert feststellen, dass junge Menschen oft nicht einmal mehr die Fleischteile kennen. Manche können keine Schulter von einem Schlögel unterscheiden. Andere wissen nicht, wo sie ein Schnitzel rausschneiden sollen.
Markus Deisenberger: Warum ist das so? Weil man ihnen in der Ausbildung immer nur Stücke vorgesetzt hat?
Sepp Schellhorn: Richtig. Vakuumierte Stücke. Wenn Sie auf Instagram gehen, sehen Sie auch warum: Es geht heute mehr in Richtung Laubsägearbeiten und „Streberteller“, wie sich sie bezeichne. Wo am linken Tellerrand irgendein undefinierbares, zugeschnitztes Stück Fleisch oder Fisch liegt, das mit Kleeblättern zugedeckt wurde.
Wir sollten uns eher darauf besinnen, worum es geht: Dass wir uns täglich ernähren und nicht, dass wir einmal im Jahr ins Spitzenrestaurant gehen.
Wir verlieren die Mitte, die Wirtshauskultur. Da gibt es keine Streberteller, sondern Reisfleisch, faschiertes Butterschnitzerl, gefüllte Kalbsbrust und eine Kalbsschulter- und genau das können junge Menschen nicht mehr kochen. Aber sie haben gelernt, wie man ein Stück Fleisch vakuumiert und Sous Vide Garen.
Tage der Alpen-Adria Küche: Aus gutem Grund
Ein Kalb, zerlegt und verarbeitet from „Nose to Tail“. Kostproben von allen Teilen des Kalbs sind selbstverständlich Teil des Programms sowie die Weinbegleitung vom Rebenhof in der Südsteiermark.
19.09.2022 um 16.00 Uhr
MAKERSPACE Carinthia
Markus Deisenberger: Sie gelten als Verfechter der Wirtshauskultur. Warum ist sie Ihnen so wichtig?
Sepp Schellhorn: Weil ich glaube, dass ein Wirtshaus auch eine soziale Funktion in einer Gesellschaft hat. Deshalb habe ich auch eines, nämlich den „Bierführer“ in Goldegg, übernommen. Eine Gesellschaftlebt von der Kommunikation- und die funktioniert immer noch am besten im Wirtshaus.
Markus Deisenberger: Das heißt, der Akt des Zerlegens wird auch ein kommunikativer?
Sepp Schellhorn: Unbedingt.
Markus Deisenberger: Ein Kärntner Schafzüchter sagte unlängst den schönen Satz zu mir, dass man für ein Steak nicht kochen können müsse, sich die wahre Könnerschaft in der Küche erst bei den anderen Teilen zeige. Sehen Sie das auch so?
Sepp Schellhorn: Absolut. Eine Kalbsschulter lässt sich nicht einfach braten, die muss verarbeitet werden. Dieses Handwerk will ich weitergeben. Darum freue ich mich, wenn junge Menschen kommen und das lernen wollen.
Josef „Sepp“ Schellhorn
Ist ein österreichischer Unternehmer, Gastronom und ehemaliger Politiker. 1996 übernahm er den elterlichen Betrieb „Der Seehof“ in Goldegg am See, den er als seine „Homebase“ bezeichnet und bei dem es in hohem Maße um Sinnstiftung geht, so Schellhorn. Deshalb bietet der Seehof ein reichhaltiges und weitläufiges Kulturprogamm an.
Da wird ganz schnell alles viel langsamer.
Im Kochfernsehen trug Schellhorn schon ein T-Shirt mit der Aufschrift „Klimakoch“, als die Klimakrise noch in weiter Zukunft lag und der Begriff Nachhaltigkeit in den Kinderschuhen steckte.
Als gastronomischer Unternehmer betreibt er neben dem „Seehof“ die Restaurants „M32“ im Museum der Moderne in Salzburg am Mönchsberg, das „Angertal 1180“ in Bad Hofgastein sowie die „Alm Weitblick“ im Schigebiet von Sportgastein und neuerdings den „Bierführer“ in Goldegg.